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Unter Terrorverdacht gefoltert

Sonntag 2. September 2012, von Comité Cerezo México

Mit 19 Jahren wird er zu unrecht verhaftet, gefoltert und als Terrorist eingesperrt. Doch der junge Mexikaner wehrt sich und kommt frei. Seitdem hat sich Alejandro Cerezo der Hilfe für politische Gefangene verschrieben.

Die erlittenen Folterqualen sieht man Alejandro Cerezo Contreras nicht an. Wenn der kräftig gebaute Mann in seiner Heimat Mexiko auftritt, spricht er ruhig und gefasst, mit einer nahezu erschreckenden Nüchternheit. Dreieinhalb Jahre verbrachte er unschuldig im berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis Altiplano, 17 Kilometer nördlich von Mexiko-Stadt, zusammen mit Drogenbossen und Raubmördern. Polizisten und Soldaten folterten ihn, um Geständnisse für nie begangene Taten zu erpressen. Am Samstagabend sollte der 30-jährige Anwalt den Aachener Friedenspreis erhalten, zusammen mit seiner Menschenrechtsorganisation.

Cerezo hofft, dass die Auszeichnung hilft, die „Stigmatisierung der politischen Gefangenen in Mexiko“ zu beenden. 2001 war der damals 19-Jährige zusammen mit seinen Brüdern Héctor (22) und Antonio (24) ohne Beweise verhaftet und verurteilt worden. Den drei Studenten wurde die Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag in Mexiko-Stadt vorgeworfen, zu dem sich Aufständische bekannt hatten. Alejandro Cerezo fühlte sich alleingelassen. Kaum eine internationale Organisation wollte sich für die drei jungen Männer, die als Terroristen gebrandmarkt waren, einsetzen.

Alejandro Cerezo kam 2005 im Berufungsverfahren frei, seine Brüder erst 2009. Aus dem 2001 gegründeten Unterstützungskomitee wurde inzwischen eine bekannte Organisation, die sich unter der Leitung Alejandro Cerezos für politische Häftlinge in Mexiko einsetzt. 128 solcher Fälle dokumentierte das Komitee seit dem vergangenen Jahr, von mehrmonatigen willkürlichen Verhaftungen bis zu jahrelangen Haftstrafen mit konstruierten Anklagen.

Möglich macht dies Mexikos korrupte Justiz. Sie lässt im Durchschnitt nicht nur 98 Prozent der schweren Straftaten unaufgeklärt. Sie geht zudem mit aller Härte gegen politisch missliebige Aktivisten vor. Treffen kann es Studenten oder Vertreter von Urvölkern, Leiter unabhängiger Gewerkschaften oder Umweltschützer. Einige von ihnen sind von Amnesty International als politische Gefangene anerkannt.

Hinzu kommt die Verfolgung derjenigen, die die zu unrecht Verurteilten verteidigen. Cerezos eigene Anwältin wurde 2001 ermordet. 2006 verfügte die Interamerikanische Menschenrechtskommission Schutzmaßnahmen für Cerezo. Dennoch erhält er bis heute regelmäßig Todesdrohungen, wird beschattet, verfolgt und fotografiert. Obwohl das Komitee Cerezo acht Anzeigen einreichte, mitsamt Fotos, Autokennzeichen und Videomitschnitten, ist nichts geschehen.

„Die Täter kommen vom Staat“, ist Cerezo überzeugt. „Mexikos Justiz ermittelt nicht gegen Übergriffe des Staates.“ Die Justiz ist in Mexiko schon immer zur politischen Verfolgung eingesetzt worden, so etwa im Schmutzigen Krieg der 1970er Jahre oder gegen die aufbegehrenden Zapatisten der 1990er Jahre.

Verschärft hat sich die Verfolgung von Andersdenkenden mit dem 2006 ausgerufenen Krieg gegen die Drogenkartelle. Er forderte seither nicht nur weit über 50.000 Menschenleben. Etwa 10.000 Menschen werden vermisst, wie das Komitee Cerezo herausfand. Als erste Organisation in Mexiko erstellte es eine Übersicht über die Menschen, die im Drogenkrieg verschwanden.

Es trifft vor allem Jugendliche, schutzlose Migranten aus Zentralamerika sowie Aktivisten für Soziales und Menschenrechte. Viele werden von den Drogenkartellen verschleppt. In einem Drittel der Fälle vermutet das Komitee Cerezo allerdings Paramilitärs, Polizei und Armee als Verantwortliche.

Mit Skepsis beobachtet Cerezo die weitere Aufrüstung von Armee und Polizei im Drogenkrieg. 400 Millionen US-Dollar investierte Mexikos Verteidigungsministerium jüngst in moderne Technologie zum Abfangen von Emails und Belauschen von Mobiltelefonaten. Cerezo bezweifelt, dass damit nur mutmaßliche Drogendealer ausspioniert werden, und befürchtet noch mehr Repression. „Es gibt in Mexiko kaum Gesetze, die den Gebrauch dieser Technologie regeln.“

Nicht noch mehr Kriegstechnik führe zum Frieden, betont der junge Mann mit Ziegenbärtchen und Brille. Vielmehr müsse die Justiz grundlegend reformiert werden: Sämtliche Verbrechen, sowohl die der Drogenkartelle als auch die des Staates, müssten endlich systematisch geahndet werden. „Das Problem in Mexiko ist die Straflosigkeit. Es kann keinen Frieden geben, solange Straflosigkeit herrscht.“ (epd)


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